Für ein Ende von Ausbeutung und Neoliberalismus!
Innerhalb der „progressiven“ Szene wird patriarchale Unterdrückung und Gewalt zunehmend umgedeutet, diese sei nicht ausschließlich strukturell, sondern eine Frage der individuellen Wahrnehmung. Sexuelle Gewalt an Frauen und Queers könne folglich Empowerment sein. Der sogenannte sexpositive Queerfeminismus hält deshalb auch Pornografie für ein Mittel des feministischen Kampfes. Diese Haltung ist mittlerweile im liberalen Mainstream angekommen. Öffentlich finanzierte Formate wie „Funk“ informieren regelmäßig über die neusten Trends der Sexindustrie und bieten dabei auch Freiern, Zuhältern und selbst Sexualstraftätern eine Bühne – ganz im Sinne des demokratischen Pluralismus dürfen auch sie neben ihren Opfern zu Wort kommen. Das ist die neue Gleichberechtigung. Seit einigen Jahren ist innerhalb der liberalen linken Szene in den meisten Großstädten der Trend der „Pornoabende“ entfacht. Gemeinsam werden „feministische Pornos“ geschaut, um „diverse Lust zu zelebrieren“. Strukturelle und grundlegende Kritik an Pornos und der dahinterstehenden Industrie findet man hier nicht. Auch in Magdeburg soll im November 2022 ein solches Event statt finden. Die ausführende Lokalität ist bereits zum CSD mit einer „BDSM- und Toyparty“ aufgefallen. Die liberale Einstellung zu Gewalt an Frauen und Queers ist offensichtlich. Es bleibt für uns als Frauengruppe höchst fragwürdig, dass Gruppen, die sich als antikapitalistisch und progressiv beschreiben, diese Räumlichkeiten nutzen. Für uns ist es wichtig, diese liberalen Ideologien in der Öffentlichkeit nicht unbeantwortet zu lassen und deshalb rufen wir vor allem auch diese Gruppen auf, sich zu dem Sachverhalt zu positionieren und sich solidarisch an der Diskussion zu beteiligen.
Pornografie und Prostitution
Das Wort Pornografie setzt sich aus den altgriechischen Worten pórnē (zu deutsch „Hure, Dirne“) und gráphein (zu deutsch „schreiben, malen, zeichnen“) zusammen. Dass es einen Zusammenhang zwischen der Pornoindustrie und Prostitution gibt, scheint eindeutig. Was heute auf den gängigen Plattformen die am häufigsten gesuchten Schlagwörter sind, sind letztendlich morgen die Vergewaltigungs-Realitäten der Prostituierten. Pornodarsteller*innen drehen unter Zwang. Pornografie ist Prostitution hinter der Kamera.
12,4% des weltweiten Pornotraffics stammen aus Deutschland und das, obwohl die Deutschen gerade mal 0,1% der Weltbevölkerung ausmachen. Deutschland ist nicht nur das Bordell Europas, Deutschland ist auch Spitzenreiter im Pornokonsum. 46% der erwachsenen Männer sehen sich täglich Pornos an. An dieser Stelle direkt ein kleiner Spoiler: die meisten dieser Männer gucken Pornos auf den einschlägigen Pornoseiten. Einige Männer geben in diesem Land nicht mal 10 Euro für einen Blowjob auf dem Straßenstrich aus – und genau diese Männer werden sich auch KEIN „FeministischesPorno-Abonnement“ für 9,99 Euro im Monat gönnen. Stattdessen werden Gewalt- und Vergewaltigungsfantasien bei ihnen durch Mainstreampornos bestärkt. Vielleicht sehen sich genau diese Männer gern das Pornomaterial mit Titeln á la „feminist girl gets raped by real men“ an.
Auf der Suche nach luftleeren Räumen
Zur Erregung des*der Konsument*in ist die Pornoindustrie in allen Medienbranchen vertreten: Film, Bild, Text, Audio. Pornografie findet genau wie Prostitution nicht in einem losgelösten gesellschaftlichen Raum statt, sondern existiert eingebettet in kapitalistische Strukturen. Das bedeutet, dass jeder Porno, der produziert und veröffentlicht wird, auch, wenn die Begebenheiten und Handlungen im Porno noch so rücksichtsvoll und nett gemeint sind, unserer patriarchalen Welt und dem kapitalistischen System dienen. Sie dienen dem System nicht nur – weil Pornos Waren sind, sind sie immer auch Ausdruck von kapitalistischer Ausbeutung. Waren können aus einer materialistischen Perspektive nicht emanzipatorisch sein. Auch wenn die Ware „Porno“ vermeintlich fair und nach „feministischen“ Kriterien produziert wurde ist der „unternehmerische Freigeist“ eines Start Ups, also sein Streben nach Profit seine treibende Kraft.
Kritik an den Mainstream-Pornos von z.B. Alice Schwarzer können sogar liberale Feministinnen nicht von der Hand weisen. Schwarzers Forderung in der Kampagne „PorNo“, Pornografie zu verbieten, scheint den Liberalen aber doch zu drastisch. Eine bürgerliche Antwort muss her: der feministische Porno! Inzestuöse, voyeuristische Titel wie „Step Dad Films Anal Sex With Petite Step Daughter“, „Notgeile Teen Parkplatz Schlampe lässt sich von Unbekannten hart ***“ und „Step Son Caught Step Mom Masturbating and helped her to Cum“ gehören für die zahlungsfähigen Feministinnen damit der Vergangenheit an. Auch Kategorien nach race wie zB. „asian“ oder nach Alter wie „barely legal“ werden in der eigenen online-Blase verschwunden sein – ja die Besetzungen der feministischen Pornos sind sogar höchst „divers“. Dass die Kategorien und Ausbeutungsverhältnisse aber trotzdem weiterhin bestehen und einen Großteil der Pornografie ausmachen, wird nach dem Motto „Aus den Augen, aus dem Sinn“ behandelt.
Neue Strategie des Markts: pink washing
Die sogenannte „sexpositive, feministische“ Pornoindustrie will stereotype Muster und Genderrollen, die in pornografischen Filmen und vor allem in unserer Gesellschaft bis heute verankert sind. Parallel werten sie häufig ihre Fetische (z.B. Gewalt- und Unterdrückungsfantasien) als kinky auf. Hierbei vergessen ihre Anhänger*innen, dass eine Industrie nicht außerhalb der gegebenen Gesellschaftsordnung existieren kann und nur eine sozialistische Revolution den Weg zu einer freien Gesellschaft ebnen kann. In feministischen Pornos soll auch „weibliche“ und „queere“ Lust im Zentrum des Films stehen, z.B. in dem Frauen und queere Personen auch mal befriedigt werden, Rollenbilder und Klischees sollen aufgelöst werden, andere Kameraperspektiven, mehr Knutschen, keine überschminkten Darstellerinnen (Sozialchauvinismus?) – halt der Porno, für die „aufgeklärten“ Menschen. Abgrenzung vom sozialen Pöbel ist nicht nur en vogue unter der jungen akademischen Linken, sondern auch eine super Geschäftsidee. So ein „Queerfeministischer Pornoabend“ bringt den Unternehmer*innen bestimmt ein paar neue Abonnements ein. Die Besucher*innen dieses Happenings sind zu guter Letzt nämlich vor allem eins: Kundschaft.
Der Wunsch, zu Mainstream-Pornos eine Alternativen zu etablieren, klingt zuerst smart. Letztendlich handelt es sich dabei um den gleichen Mechanismus den wir aber zB. von liberalen Grünen zu gut kennen: das Pendant von green-washing heißt pink-washing, das kleine Einmaleins der Marketingabteilungen des 21. Jahrhunderts. Und auch die großen IT-Zuhälter werden die „neuen“ Marketingtricks des „feministischen Pornos“ für sich nutzen. Die liberalen Geschäftsführer*innen, die vor allem an einem gutem Vertrieb ihrer Ware interessiert sind, geben die ethische und moralische Verantwortung des Konsums ab an die Konsumierenden.
Wir vertreten zwar die Position, dass (Online-)Freier Täter sind und schreiben damit den Individuen eine Verantwortung zu; andererseits wissen wir aber, dass unsere Gesellschaft keine homogene Masse ist. Im Gegenteil: unterschiedlichste kognitive Voraussetzungen (Bildungsstand, Behinderungen wie z.B. ADHS, …) und Sozialisationen (eigene Missbrauchserfahrungen, Frühkindliche Bildung, Beziehungen, …) stehen in Wechselwirkungen zueinander. Nicht Jede*r hat also die Möglichkeiten, seinen Konsum gleich kritisch zu reflektieren oder sich z.B. selbst zu regulieren. Für uns ist deshalb klar, dass es keine individualistische Lösung im Sinne einer Konsumkritik, sondern nur eine gesamtgesellschaftliche Lösung geben kann. Als Frauengruppe, die von der Notwendigkeit einer sozialistischen Revolution überzeugt ist, lehnen wir Lösungsangebote ab, die suggerieren, dass ein gesellschaftlicher Wandel über den Markt und über den individuellen Konsum nach dem Prinzip von Angebot und Nachfrage möglich wäre.
Der Feministische Kapitalschlag
Im Jahr 2022 haben die meisten Kinder einen Porno gesehen, bevor sie überhaupt das 14. Lebensjahr erreicht haben: Sie sind im Durchschnitt erst 11 Jahre alt. Das ist bei den meisten lange bevor sie überhaupt Sex haben. Welche Auswirkungen das auf Kinder und ihre Gehirne hat, ist bis heute nicht abschließend geklärt. Was aber klar erfasst ist ist, dass Sexualstraftäter immer jünger werden. Kinder- und Jugendwohngruppen für straffällige Minderjährige (ab 6 Jahren) können die hohe Nachfrage nicht decken. Durch kostenlose Pornoseiten wie YouPorn und Pornhub, die unschwer zu finden sind, gibt es einen unerschöpflichen Markt an pornografischem Material, das immer zugänglich für jede*n ist. Bis zu 30% der Männer schauen sich in ihrer Pause auf der Arbeit einen Porno an.
Wie bei allen vermeintlich progressiven, kapitalismuskritischen Bewegungen und Trends, wird auch der „feministische Porno“ von den Monopolen vereinnahmt werden. Tendenzen dahin sind ja bereits zu erkennen, wenn z.B. der CSD oder auch der 8. März von den Porno-Konzernen medial aufbereitet und für ihren Profit instrumentalisiert werden. Auf kostenpflichtigen Live-Cam-Websiten wie livejasmin.com darf der Online-Freier für sein Geld aussuchen, wie die Frauen aussehen soll („Ebony“, schwanger, …) und natürlich, was die Frauen anbieten soll (Orgasmus, Sextoys, usw.). 30% der Einnahmen müssen die Frauen, die vor der Kamera sind, an die Plattform abdrücken. Rechnerisch wird klar, wer bei diesem Geschäft am meisten verdient: Geschäftsmänner, wie z.B. Fabian Thylmann aus Aachen, welcher bei dem Verkauf seines Porno-Imperiums eine dreistellige Millionensumme erhalten haben soll. Heute läuft das ganze unter der Firma „mindgeek“.
Das muss mich als feministische Pornokonsumentin aber nicht mehr interessieren, weil ich ja feministische pay Pornos schaue – oder?
Doch! Aus materialistischer Perspektive wird klar: bei Pornos handelt es sich um eine warenförmige Verdinglichung von Sexualität, Emotion, Lust und Nähe, die vor allem dem Ziel der Kommerzialisierung folgt. Die Auswirkungen von ungerahmtem Pornokonsum im Jugendalter zeigen sich dann in einer falschen Vorstellung von Liebe und Beziehungen. Bindungsstörungen und falsche Rollen- und Körperbilder gehören – teilweise unbemerkt – zu unser aller Leben dazu. Dass die meisten Paare keinen normalen Geschlechtsverkehr mehr haben können, der für alle Beteiligten angenehm ist, freut die Industrie! 12,6 Millionen Euro Umsatz wird pro Tag mit Internet-Pornografie gemacht. Gemessen an ihrem Umsatz kann es die Pornoindustrie in Deutschland mit der Automobilbranche aufnehmen. Letztendlich sind es nämlich in den meisten Fällen die „weißen cis“ Männer aus dem IT-Bereich, die sich dumm und dämlich verdienen, während Frauen sich tagtäglich erniedrigen und vergewaltigen lassen müssen. Dass ein Pornoverbot deshalb in Deutschland weit entfernt bleibt, ist logisch. Nur ein sehr kleiner Teil der Darsteller*innen dreht „feministische“ Pornos. Und da die Nachfrage nach Pornos in Deutschland, wie eingangs bereits beschrieben, eine sehr hohe ist, wird es immer wieder neue ausgebeutete Frauen und Queers geben, die die Industrie ausschlachtet.
Bereits jetzt sitzt in jeder Schulklasse mindestens ein Kind, das von Kindesmisshandlung betroffen ist. Die heutigen Jugendlichen sind die Eltern der nächsten Generation und was wir ihren Gehirnen zu muten, das muten wir auch ihren Kindern zu, wenn diese dann von Kindesmisshandlung betroffen sind. Für uns ist klar, dass diese Entwicklungen nicht von ungefähr kommt.
Wechselwirkung Pornokonsum – Realität
Das menschliche Gehirn hat die Eigenart sich sehr schnell an Reize zu gewöhnen. Wenn alles, was man sich an pornografischem Material nur vorstellen kann, umsonst und immer verfügbar ist, müssen Pornos um ihre Wirkung im Gehirn erfüllen zu können (Ausschüttung von Botenstoffen), immer krasser und intensiver werden. Und am Ende sind es die Pornodarstellerinnen, die nur noch unter der Einnahme von Betäubungsmittel den Analsex und die folgenden Schmerzen überleben können. Weil das Gehirn der Pornokonsumentinnen immer wieder neue Reize sucht, kommt es dazu, dass Menschen nach einer gewissen Zeit neues Material suchen, das dann z.B. Gewalt, (Massen)Vergewaltigungen und Kinderpornografie als Inhalt hat, um das Gehirn weiterhin zu befriedigen (natürlich passiert das nicht bei jeder konsumierenden Person – jedoch ist jede einzelne Person eine zu viel). Wenn die feministischen Pornos dem Hirn dann also nicht mehr reichen, kann man direkt nebenan bei Pornhub Abhilfe finden, in dem man sich zum Beispiel kurz reinzieht, wie eine Minderjährige vergewaltigt wird! Zur Suchtfrage wollen wir in diesem Text jedoch gar nicht kommen. Die Auswirkungen auf unser aktives und reales Sexleben und unsere Schönheits- und Körperbilder scheinen zunehmend offensichtlicher. Ein Überblick über die top Schönheits-OPs könnte an dieser Stelle eine aufklärende Wirkung haben. Es sind eben nicht nur die Bedingungen, unter denen Pornos hergestellt werden, die kritisiert werden müssen, sondern auch ihre Inhalte, denn auch „feministische“ Pornos sind Produkte der Welt, in der wir leben.
Für eine revolutionäre Debatte
Viele von uns denken immer noch, dass sie der geballte Themenkomplex Pornografie und Prostitution nichts angeht, dass eine klare marxistische Positionierung ein bisschen zu krass, zu „autoritär“ wäre. Ändern können wir eh nichts – soll doch jeder in seinen vier Wänden machen, was er will – sexuelle Freiheit und so – oder? Die steigenden Zahlen der Porno-Konsument*innen, der Pädosexuellen und Vergewaltigungen bedeuten für uns etwas anderes – wir müssen entscheiden, in was für einer Gesellschaft wir mit unseren Kollektiven, Freund*innen, unserer Familie und unseren Kindern leben wollen. Ob Rape Porn oder queere Liebelei, Porno bleibt reaktionäre Ausbeuterei!
Kommunist*innen haben die Aufgabe, hinter den Erscheinungen das Wesen zu erkennen und es zu entlarven, ihr Wissen weiter zu geben und somit den Kampf für eine bessere Welt voran zu treiben. Deshalb setzen wir uns in der Diskussion um Pornografie für eine revolutionäre Argumentation aus sozialistischer Perspektive ein, die letztendlich nur zu einem Schluss führen kann – für eine Befreiung von Liebe und Sexualität im Sozialismus! Genoss*innen gucken keine Pornos!
Frauenkampftag.SFO